„Bei der Inszenierung bleiben nicht nur die Zeiten in Bewegung, holt Regisseurin Antje Thoms gemeinsam mit der Autorin aus dem Text heraus, was herauszuholen ist.“

2019, Uraufführung im Deutschen Auswandererhaus / Stadttheater Bremerhaven

Text: Anne Jelena Schulte Regie und Ausstattung: Antje Thoms und Anne Jelena Schulte Dramaturgie: Nadja Hess Fotos: Heiko Sandelmann

Mit: Henning Bäcker, Elif Esmen, Max Roenneberg, Isabel Zeumer

„Wer die Sierra Madre vor sich weiß, der möchte Abschied nehmen. Selbst wenn man lebend herauskommt, wird man doch nie mehr derselbe sein.“

Im Jahr 1848 bricht James, 16-jähriger Sohn deutscher Einwanderer, von Baltimore Richtung Kalifornien auf um dort nach Gold zu schürfen und sein Glück zu machen – ein abenteuerlicher, entbehrungsreicher Weg einmal quer durch den Wilden Westen liegt vor ihm. Ungefähr 150 Jahre später reist Mister Strauss, Enkel jüdischer Emigranten, nach Deutschland, um dort Deutsch zu lernen, das Buch „Mein Kampf“ zu lesen und um zu verstehen, warum die Deutschen damals Hitler gefolgt sind. Mister Alfons aus Garmisch hingegen träumt seit seiner Jugend von den USA – und nutzt seine abgeschlossene Lehre, um nach Baltimore auszuwandern und als Konditor der Mann zu werden, der den Schoko-Nikolaus nach Amerika brachte.

In einer stickigen Holzhütte auf dem Christkindlmarkt in Baltimore werden diese Auswanderergeschichten auf einer kleinen Bühne erzählt.

Im Publikum sitzt eine Autorin aus Deutschland, die im Rahmen des Deutschland-Amerika-Jahres vom Auswandererhaus in die USA eingeladen wurde: Anne Jelena Schulte hat aus Interviews, Begegnungen und Erlebnissen einen literarischen Text entwickelt, der drei spezifisch deutsche Einzelschicksale beleuchtet – von insgesamt über sieben Millionen Menschen, die 1830 bis 1974 die Alte Welt über Bremerhaven in Richtung Amerika verließen.

Auf dem heißen Pflaster Amerikas

„Nach Amerika“ heißt die jüngste Kooperation zwischen dem Stadttheater und dem Deutschen Auswandererhaus. Die Textcollage kombiniert Erwartung und Realität, die historischen Biografien dreier Migranten und ganz persönliche Eindrücke von Baltimore. Im Spiel vermischen sich die Zeitebenen. Aus dem aufsteigenden Dampf, in dem zwei Obdachlose lagern, wird der kalifornische Goldstaub, ein Glücksversprechen. Gewalt zieht sich wie ein roter Faden durch das Stück, aus glühendem Optimismus wird allzu oft elendes Scheitern. Bei der Inszenierung bleiben nicht nur die Zeiten in Bewegung, holen Regisseurin Antje Thoms gemeinsam mit der Autorin aus dem Text heraus, was herauszuholen ist. Die witzigen Stellen werden vom Ensemble ausgekostet. Die Kulisse des Auswandererhauses tut ein Übriges, von der vergitterten Einwanderungsstation Ellis Island geht es zur großen Treppe des Grand Central Terminal.