2011, Uraufführung von Trainingslager. Koproduktion mit Theater Winkelwiese Zürich und Kleintheater Luzern. Gefördert durch Fachstelle Kultur Kanton Zürich, Migros Genossenschafts-Bund, STEO-Stiftung, Artephila Stiftung, Stanley Thomas Johnson Stiftung, Jürg Georges Bürki Stiftung, Schweizerische Interpreten Stiftung.
Text: Jens Nielsen * Dramaturgie: Andrea Schmid, Walter Gratz * Ausstattung: Romy Springsguth, Beni Küng * Licht / Technik: Michael Omlin , Tashi-Yves Dobler * Grafik: Florian Barth * Produktion: Gabi Bernetta * Mit: Dominique Müller, Ingo Ospelt, Hans Rudolf Twerenbold * (Fotos auf dieser Seite: © Judith Schlosser)
Der Schweizer Filmemacher Ingomar Benz Berger ist in der Krise. Während er am Anfang seiner Karriere noch eine gewisse Anerkennung als eigenwilliger Regisseur erfuhr, ging es in den letzten Jahren nur noch bergab. Eines Nachts vor drei Jahren – so behauptete Berger kürzlich an einer kaum beachteten Pressekonferenz – träumte er von seinem verstorbenen Vater. Dieser habe ihm gesagt, er solle einen Roadmovie drehen. Und weil Berger sonst nie von seinem Vater träumt, macht er sich sofort an die Arbeit und schreibt ein Drehbuch von geradezu grauenerregender Schwermut und Länge. Es folgen eine mühsame Finanzierungsphase, in der praktisch kein Geld zusammenkommt und ein peinlich erfolgloses Casting ohne Bewerber. Daraufhin beschliesst der gekränkte Berger, sich in seine Garage zurückzuziehen, um dort so lange weiter an seinem Projekt zu arbeiten, bis es fertig ist. Berger duldet nur zwei Personen in seinem provisorischen Refugium: Den alternden Aargauer Edelstatisten Balz Bagger, der von Beginn an weiss, dass alles schief laufen wird und den Autofreak Laurenz Bertschinger, alias Schoggi, dessen ganzes Dasein sich um das Autofahren dreht.
«Keine Aussicht auf ein gutes Ende« ist auf mehreren Ebenen eine Tragödie unglücklicher Alltagsrebellen: Alle Figuren versuchen mit sich selbst zurechtzukommen, suchen einen Aufbruch, einen Neuanfang – und können doch keine Schneisen schlagen. Sie finden keine Auswege, immer nur neue Umwege. Individualisten- und Spezialistentum treffen ungebremst aufeinander und führen zu Kollisionen mit bleibenden Schäden.
„Der Mensch ist ein Zerwürfnis
Entstellt ist er
Gebrochen
Schau dir nur zum Beispiel dich an
Du bist ein Stück es ist zum Weinen“
Presse:
Theatralisches Non-Roadmovie: dieser Raum ist ein Albtraum, die drei Gestalten, die in diesem tristen Ambiente hocken, sind nicht weniger trostlos. „Das ist die Geschichte von drei Typen, die zu Hause bleiben, weil sie schon an der Hauseinfahrt scheitern“, bringt Balz Bagger die Handlung lakonisch auf den Punkt. Und dabei hätte das Trio tausend Gründe zum Wegfahren: keine bzw. die falsche Frau, fehlende Anerkennung als Künstler, Einsamkeit. Und dann ist da, vor allem, diese Schweizer Enge. Treffender könnte man dieses Gefühl kaum beschreiben. Die Stimmung auf der Zigarettenrauch-geschwängerten Bühne ist mehr als drückend. Die drei allesamt hervorragenden Schauspieler bringen die Verzweiflung ihrer Figuren in den unterschiedlichsten Lautstärken und Tonfarben zum Ausdruck. Gleichzeitig ist dieses theatralische Roadmovie zum Totlachen absurd. (Suter, NZZ)
Sehnsucht nach Hoffnung: im neuen Stück von Jens Nielsen geht es um die Enge in der Schweiz und die Flucht daraus. Eine groteske Hommage an den künstlerischen Misserfolg, mit drei starken Schauspielern. Drei Männer hocken in einer Garage an einem Campingtisch. Ausgekleidet sind die Seitenwände mit verspiegelter Folie. Sie scheinen den Raum zu vergrössern, suggerieren Weite, Öffnung. Das täuscht. Die Männer reden und träumen von Flucht und Neuanfang – und werden doch nur auf sich selbst zurückgeworfen. Gescheiterte sind sie, in sich Gefangene, unfähig zum Ausbruch. Da hocken sie also und sind doch ständig unterwegs, weniger körperlich als geistig. Das unterstreicht die behutsame Regie von Antje Thoms. Kitschig kann es sein, bisweilen auch makaber, und dann schauen alle drei sehnsüchtig in die Ferne, machen den Sprung ins Kino und feiern im Kopf den grossen Erfolg. Ansonsten aber herrscht Verzweiflung. Berger, frustiert und von Selbstmitleid zerfressen, explodiert von Zeit zu Zeit, haut die andern böse in die Pfanne, markiert den Chef, der die Regieanweisungen gibt. Schoggi raucht seine Zigaretten, schwärmt vom Autofahren und erzählt von seiner panischen Angst vor Staus. Balz Bagger, alt, krank und irr, hat vollends den Sinn für die Wirklichkeit verloren. In seinen Reden vor allem vermischt Jens Nielsen den traurigen Tiefsinn mit überraschendem Witz und lässt die Tragödie immer wieder in die Groteske kippen. „Keine Aussicht auf ein gutes Ende“ ist eine liebevoll-kritische Hommage an den künstlerischen Misserfolg und an diejenigen, die sich, wenn auch vergeblich, die Flucht raus aus dieser Enge und hin „ans Kap der Guten“ erträumen. (Wüst, SFD)
Auf einem Campingtisch steht eine Flasche Bourbon, in einer leeren Kuchenform brennt eine Kerze, Neonröhren flackern. Die trostlose Garage, in die sich der schwer angeschlagene Filmemacher Ingomar Benz Berger, zusammen mit seinem Techniker und einem Edelstatisten verkrochen hat, ist kein Unterstand für schnelle Autos, sondern Schauplatz einer grossen, grotesken Verzweiflung. An den Fragen der Existenz leidet der Mann im beigen Anorak genauso wie an seiner singenden Ehefrau, an den Unzulänglichkeiten des Filmbetriebs genauso wie an der Tatsache, dass ohne Lastwagen kein Roadmovie zu drehen ist. Überhaupt hat die Schweiz, so bringt es Techniker Laurenz Bertschinger alias Schoggi auf den Punkt, für ein Roadmovie schlechte Voraussetzungen. Überfahrene Käfer und Hirschkühe, tote Schosshündchen, die an der Leine spazieren geführt und Elefanten, die wie Mücken an die Wand geklatscht werden – in „Keine Aussicht auf ein gutes Ende“ wimmelt es von vegetierenden und krepierenden Kreaturen. Auch die drei Protagonisten im Alter von 30, 50 und 70 Jahren sind solche. Zwischen Hyperventilation und Atemstillstand mäandernde Bühnengeschöpfe, aus der Zeit gestürzte Figuren, die sich beim Nachdenken über sich selbst und die Welt immer wieder staunend den Kopf anstossen. In seinem neuen Stück treibt der Dramatiker Jens Nielsen auf die Spitze, wozu er unbestritten Talent hat: er lässt seine Figuren im Zeitlupentempo aus sämtlichen Zusammenhängen stürzen. Doch noch während sie auf die Schnauze fallen, spannt er ihnen ein Fangnetz. Zart ist es und aus Sprache gewoben und längst nicht immer vermag die Poesie die Fallenden aufzufangen. (Linder, DRS)
Drei Männer hocken in einer Garage und reden von ihrer bevorstehenden, grossen Tat. Doch in „Keine Aussicht auf ein gutes Ende“ widersprechen sich Eigen- und Fremdwahrnehmung, so dass aus den drei „Jungs“ ein eigentlich armseliges Häufchen Loser wird – eine regelrechte Männerstudie, die jedoch kaum schmeichelt. Denn alle drei sind larmoyante, sich selbst bemitleidende Träumer, denen zum Glück respektive einer Veränderung ihrer leicht misslichen Lage nur der Schritt zur Tat fehlt. Die Gruppe „Trainingslager“ schafft es erneut – mit überbordendem Witz, gepaart mit ansteckender Spiellust – ein Lebensgefühl emphatisch und rund darzustellen, dass man regelrecht Mitleid mit dem Manne als solchem entwickeln könnte, wäre das Ganze nicht derart belustigend. (Frochaux, P.S.)