„Die lebendige Inszenierung von Antje Thoms verbindet gekonnt zeitgenössische Adaption mit der traditionellen Verserzählung Wilhelm Buschs. Was entsteht ist Kindertheater vom Feinsten.“

2012, Inszenierung am Saarländischen Staatstheater

Text: Jutta M. Staerk nach Wilhelm Busch Regie: Antje Thoms Dramaturgie: Nicola Käppeler Ausstattung: Bettina Latscha Musikalische Leitung: Achim Schneider Fotos: Thomas M. Jauk / Stage-Picture

Mit: Janosch Fries, Dorothea Lata, Thomas Pösse, Jonas Schlagowsky, Julia Schmidt, Daniel Wagner, Christopher Weiss u.a.

„Das Gute – dieser Satz steht fest – Ist stets das Böse, was man lässt.“

 

Jeder kennt sie: die Streiche von Max und Moritz, die den Erwachsenen im Dorf die Haare zu Berge stehen lassen. Witwe Boltes Hühner ersticken an präparierten Krumen, Schneider Böck stürzt in den Bach vor seinem Haus, Lehrer Lämpel fliegt samt seiner Gemütlichkeit in die Luft und auch der arglose Onkel Fritz findet keine Ruhe, denn in seinem Bett krabbeln plötzlich Schwärme von Maikäfern. Max und Moritz sind der Stachel im Fleisch der Erwachsenen und bringen deren spießige Alltagsrituale gehörig in Unordnung. Doch auf den Streich folgt bekanntlich der Gegenschlag, denn die Dorfgemeinschaft wurde lange genug auf Trab gehalten.

Wilhelm Busch, Urahn des Comics, treibt mit Max und Moritz nicht nur Schabernack und Übermut auf die Spitze, sondern entlarvt auch die Scheinheiligkeit der Erwachsenenwelt, verspottet das kleinbürgerliche Spießertum. Max und Moritz werden trotz aller Missetaten von den Zuschauern ins Herz geschlossen, vielleicht gerade weil Kinderstreiche Rebellion gegen die etablierte Erwachsenenwelt und jede Art von Autorität sind.

Wilhelm Buschs Geschichte von Max und Moritz ist immer noch in

Oma und Opa haben die schon gehört und sie dann Mama und Papa vorgelesen und heute wissen die Kinder auch noch ganz genau, welche Streiche die beiden Rabauken gespielt haben. Die Inszenierung ist bunt, lustig und frech. Das kommt an, bei den Kindern und den Erwachsenen. Julia Schmidt als Max und Jonas Schlagowsky als Moritz glänzen in den Hauptrollen, sind rotzfrech, aber liebenswürdig. Moritz übernimmt die Führung, Max freut sich über jeden gelungenen Streich. Und Onkel Fritz, der Lehrer Lämpel und der Schneider Böck müssen es ausbaden. Eingängige Lieder von Achim Schneider animieren die Kinder zum Mitmachen. Dorothea Lata als Witwe Bolte und ihr Spitz, kläffend und heulend, brillant gespielt von Janosch Fries, stehlen den Hauptdarstellern fast die Show. Die Witwe ist es schließlich auch, die es am Ende sehr traurig findet, das Max und Moritz ihr jähes Ende in der Mühle finden. Die gereimten Texte und die altbekannten Figuren von Wilhelm Busch sind geblieben, Regisseurin Antje Thoms ist es aber gelungen durch flotte Sprüche, moderne Anspielungen und Gags für Erwachsene eine 2012er Version von Max und Moritz zu zeigen, die in Saarbrücken super ankommt.

Vorsicht, böse Buben!

Sehenswerte Premiere – sehr viel Jubel gab es im Saarländischen Staatstheater: Wilhelm Buschs Klassiker „Max und Moritz“ bot in seiner Bühnenfassung eine große, bunt inszenierte Gaudi, die mit ihren Antihelden etwas versöhnlicher umging als die Vorlage. Antje Thoms Inszenierung bietet einen flotten Streichereigen, der in einer winterlichen Dorfszene beginnt, mit viel weihnachtlichem Tohuwabohu und Tannenbaumverkauf unter rieselndem Schnee. Hier wäre die Welt in Ordnung, gäbe es nicht Max und Moritz, die von der Idylle gelangweilt sind und die Erwachsenen aufs Korn nehmen, von denen sie sich ignoriert fühlen. Die mitunter brutalen Kapriolen des Duos inszeniert Antje Thoms sehr flott als große Gaudi – Darsteller im Federkleid spielen die Hühner (deren Schicksal auf der Bühne sehr trickreich und witzig realisiert wird), Schneider Böck besingt balladesk seine textile Profession, während Darsteller wie auf dem Laufsteg flanieren. Eine pralle, sinnenfrohe Inszenierung ist das, die nicht zuletzt vom atmosphärischen Bühnenbild und den prächtigen Kostümen lebt. Julia Schmidt und Jonas Schlagowsky sind ein mitreißendes Rabaukenduo, Dorothea Lata spielt schön schrill die Witwe Bolte, Janosch Fries ihren leidensfähigen Hund. Thomas Pösse gibt als Lehrer Lämpel einen Pädagogen, dessen Autoritätsfassade zuhause in sich zusammenfällt; zurück bleibt ein Wrack, das Trost bei Rotwein und Wasserpfeife sucht. Letztere wird vom tödlichen Duo mit Schießpulver angereichert, was zum brutalsten Streich des Stücks führt. Nach der Pause verdüstert sich die Stimmung spürbar; Max und Moritz scheinen mit Müller und Bäcker ihre Meister gefunden zu haben. Erst werden sie gebacken, dann geschrotet. Wilhelm Buschs Sicht, dass die Welt der Erwachsenen nicht weniger grausam sein muss als die der jugendlichen Rabauken, schimmert deutlich durch – bis das Finale das wieder relativiert und das Versöhnliche feiert.

Kindertheater vom Feinsten

Die lebendige Inszenierung von Antje Thoms verbindet gekonnt zeitgenössische Adaption mit der traditionellen Verserzählung Wilhelm Buschs. Was entsteht ist Kindertheater vom Feinsten. Das Weihnachtsstück lädt zum Mitlachen, Mitsingen und Mitfiebern ein.

Glücklich, wer hier Karten hat

Selbst Wilhelm Busch hätte sich beim neuesten Winterstück des Saarländischen Staatstheaters amüsiert. Seine Lausbubengeschichte kommt in der Inszenierung von Antje Thoms herrlich bunt, frech und schräg daher. Die Bühnenadaption ist ein wahres Gedicht: Die altbekannten Originalverse werden mit neuen, geistreichen Reimen stilecht aufgepeppt, die Charaktere wirken sympathisch und die Handlung kriegt am Ende ganz zeitgemäß die Kurve zum Happy End. Wir lernen, das Taten Folgen haben und Menschen ein Gewissen. Ohne Zeigefinger, sondern mit viel Spaß und köstlichen Gags. Also lautet unser Rat: Glücklich, wer hier Karten hat!