„Die menschlich und gesellschaftlich brutalen Auswirkungen von Gewalt, Zerstörung und Tod deckt die Inszenierung, die Ort und Zeit im Vagen lässt, Schicht für Schicht auf.“

2023, Inszenierung am Theater Regensburg, eingeladen zu den Bayerischen Theatertagen 2024

Text: Wolfgang Borchert Regie: Antje Thoms Dramaturgie: Anna Gerhards Ausstattung: Ute Radler Musik/Sounddesign: Stefan Leibold Fotos: Tom Neumeier Leather

Mit: Gerhard Hermann, Thomas Mehlhorn, Katharina Solzbacher, Guido Wachter, Natascha Weigang, Paul Wenning, Paul Wiesmann

Schlafen Sie gut? Können Sie schlafen? Können Sie leben? Können Sie eine Minute leben, ohne zu schreien? Schlafen Sie nachts gut? Ja?

Ein Mann kehrt zurück, nach tausend Nächten draußen in der Kälte, in der Fremde. Nichts ist mehr, wie es einmal war. Im Krieg hat er alles verloren: seine Eltern, Hoffnung, Würde, Menschlichkeit. Nicht einmal sein Vorname ist ihm geblieben. Er heißt nur noch Unteroffizier Beckmann. Brauchen kann ihn keiner mehr und selbst der Fluss will ihn nicht haben. So wandert Beckmann durch seine einstige Heimat, auf der Suche nach jemandem, dem er die Verantwortung für all jene, die unter seinem Kommando gestorben sind, zurückgeben kann. Doch niemand will sie haben, diese Verantwortung. Verfolgt von Albträumen bleibt Beckmann draußen, vor der Tür, ein Grenzgänger zwischen Leben und Tod, Vergangenheit und Gegenwart.
Wolfgang Borchert zeichnet in DRAUSSEN VOR DER TÜR das Porträt einer ganzen Generation von Männern, die als Menschen gingen und als Täter wiederkamen. Beckmann ist einer von ihnen und dabei eine weit über die geschichtliche Verortung hinausweisende Figur. Er scheitert, von der Welt vollkommen entfremdet, an der zerstörerischen Macht des Krieges.

Nachdruck von geradezu schauriger Intensität

Vor allem die älteren Zuschauer kennen das Nachkriegsdrama „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert vermutlich in- und auswendig. In ihrer Schulzeit war es Pflichtlektüre und mancher, der am Samstag die Inszenierung von Antje Thoms besuchte, hat es „richtig gehasst“. Nach der Premiere ist der ehemalige Schüler, völlig zu Recht, genauso begeistert wie das restliche Publikum. Die menschlich und gesellschaftlich brutalen Auswirkungen von Gewalt, Zerstörung und Tod deckt die Inszenierung, die Ort und Zeit im Vagen lässt, Schicht für Schicht auf. Die Verdoppelung Beckmanns in den im vorderen Bühnenbereich zornig und wütend aufbegehrenden Beckmann und seinen mut- und kraftlosen, deprimierten Zwilling, der in den Bühnenkammern agiert, gehört zu den besten Regieeinfällen. Die teils synchron, teils leicht versetzt von beiden Beckmännern gesprochenen Textpassagen verleihen den Anklagen, Vorwürfen und Bemühungen des Heimkehrers, der 1000 Nächte in Gefangenschaft aushalten musste, einen Nachdruck von geradezu schauriger Intensität. Das Bühnenbild mit einer Wand voller Jalousien, hinter deren Fenstern sich Zimmer und Kammern für die Spielszenen auftun, ist ein weiterer, fast schon genialer Einfall. Zugleich schafft die Inszenierung aber auch mit effektvoller Licht- und Tontechnik eine Verdichtung der emotionalen Härte, der sich Beckmann ausgesetzt sieht. Die emotionale und psychische Wucht von Borcherts hellsichtigem Stück kommt beim doppelten Beckmann, aber auch in den anderen Figuren voll zum Ausdruck.

Schauspielerische Intensität

Es gibt Menschen, die stehen draußen – ohne Chance auf Integration. Kriegsheimkehrer, aber auch viele andere. Mit großer schauspielerischer Intensität zeigt die Inszenierung von Schauspieldirektorin Antje Thoms in klaren Bildern, wie boshaft eine Gesellschaft ist, der solche Schicksale gleichgültig sind. Ein Stück, das jedes Theater spielen und jedes Publikum sehen wollen sollte!